COVID-19 ist heute als eine Krankheit anerkannt, die viele unterschiedliche Organe im Körper befallen kann. Ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten, gibt es nach einer akuten SARS-CoV-2-Infektion immer mehr Berichte über anhaltende Beschwerden.
Jenseits einer Zeitspanne von vier Wochen ab Beginn der Infektion werden diese Beschwerden als Long-COVID oder post-akute Folgen von COVID-19 bezeichnet, bei anhaltenden Beschwerden von mehr als zwölf Wochen spricht man von einem Post-COVID-Syndrom.
Nach aktuellem Wissensstand ist anzunehmen, dass ca. 15% aller COVID-19-Patienten unter einem Post-COVID-Syndrom leiden. Hierbei gibt es Unterschiede, je nachdem wie schwer die Erkrankung verlaufen ist. Die Häufigkeit scheint unabhängig von vorbestehenden Begleiterkrankungen zu sein.
Die genauen Ursachen für ein Post-COVID-Syndrom sind bislang nicht bekannt. Eventuell kommt es zu einem anhaltenden Befall des Körpers mit dem Virus bzw. Virusbestandteilen über Wochen und Monate. Weitere mögliche Erklärungen sind durch das Virus bedingte andauernde Gewebeschäden, eine Schädigung der Innenschicht der Gefäße, eine gestörte Durchblutung der kleinsten Gefäße, eine Übergerinnbarkeit des Blutes sowie Blutgerinnsel. Diskutiert wird auch eine chronische, „fehlgeleitete“ Antwort des Immunsystems bzw. eine überschießende Immunreaktion durch z.B. Antikörper, die gegen den eigenen Körper gerichtet sind.
Auch mögliche Nebenwirkungen der COVID-Therapie könnten bei der Ausprägung des Post-COVID-Syndroms eine Rolle spielen.
Es besteht eine Vielzahl an unterschiedlichen Symptomen:
Patienten mit Post-/Long-COVID geben sehr häufig das Symptom „Fatigue“ – eine für den Betroffenen sehr belastende Müdigkeit – an. Das Symptom der Fatigue kennt man von Krebserkrankungen, es tritt aber auch nach einer Vielzahl von Viruserkrankungen auf, wie zum Beispiel dem Epstein-Barr-Virus (EBV), dem Humanen Herpesvirus (HHV) oder Influenzaviren. Auch nach bakteriellen Infektionen bspw. durch Rickettsien kann eine Fatigue auftreten. Voll ausgeprägt zeigt sich die Fatigue im sogenannten post-infektiösen chronischen Fatigue-Syndrom (CFS). Hierbei handelt es sich um eine langwierige, schwere Erkrankung mehrerer Organsysteme mit begrenzten Therapieoptionen.
Einleitung
Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns waren vor allem in den ersten 4 Wellen der Corona-Pandemie in Deutschland häufig beschriebene Symptome. Bei Personen mit Post-Covid-Syndrom können diese Symptome auch nach der Infektion noch weiter bestehen. Im Rahmen der Riechstörungen können verschieden Einschränkungen unterschieden werden, so kann eine verminderte oder eine sehr deutliche Einschränkung bzw. ein vollständiger Verlust des Riechvermögens vorliegen. Des Weiteren kann es auch zu einer veränderten Wahrnehmung von Gerüchen kommen, so z.B., dass Dinge verändert riechen oder aber Gerüche wahrgenommen werden die eigentlich gar nicht vorhanden sind. Diese Riech- und Schmeckstörungen benötigen in der Regel keine spezifische Behandlung und bilden sich normalerweise von selber binnen 1-2 Monaten wieder zurück. In ca. 5–20 % der Fälle bleiben relevante Einschränkungen zurück. Sollte es nach circa 4-12 Wochen nicht zu einer weitgehenden Rückbildung der Symptome gekommen sein, so wird eine HNO-ärztliche bzw. neurologische Vorstellung empfohlen.
Diagnostik
Neben standardisierten Kurzfragebögen wird das Riechvermögen mit Riechtests untersucht. Hier steht klinisch die Dufterkennung im Vordergrund.
Therapie
Sofern eine Riechstörung länger anhält, kann eine Therapie mit einem „Riechtraining“ versucht werden. Klassischerweise werden hier die Düfte Rose, Zitrone, Eukalyptus und Gewürznelke verwendet. An jedem der 4 Düfte sollte morgens und abends jeweils 30 Sekunden gerochen werden. So kann das Riechvermögen in der Regel wieder normalisiert werden – auch wenn dies Wochen bis und Monate dauern kann.
Einleitung
Das Risiko für Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems ist in den ersten 6 Monaten nach COVID-19 signifikant erhöht. Hierzu gehören insbesondere venöse Thrombosen, Schlaganfälle, Herzinfarkte, Lungenembolien aber auch das Auftreten einer Herzschwäche. Beispielsweise zeigen COVID-19 Patienten ein um ca. 30-50 % erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen diesem Risiko und dem Schweregrad der durchgemachten COVID-19 Infektion. So haben Patienten, die aufgrund der COVID-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten, in der Folgezeit doppelt so häufig die oben beschriebenen Komplikationen wie Personen, die nicht wegen COVID-19 ins Krankenhaus mussten. Neben diesen schwerwiegenden Komplikationen werden im Rahmen des Post-COVID-Syndroms häufig Symptome wie Atemnot, Thoraxschmerzen (“Brustschmerzen“), seltener Herzstolpern und beschleunigter Puls beschrieben.
Als Ursachen, warum eine eigentliche Atemwegserkrankung „aufs Herz schlagen kann“, werden verschiedene Mechanismen diskutiert: Zum einen kann SARS-CoV-2 auch direkt das Herz befallen. Zusätzlich kann die Entzündungs- und Immunreaktion des Körpers zu einer Schädigung des Herz-Kreislaufsystems führen. So könnte eine Schädigung der Herzmuskelzellen und eine Art Umbau des Herzens zu einer reduzierten Pumpfunktion, zum Auftreten von Rhythmusstörungen sowie zu einer Veränderung des autonomen Nervensystems mit z.B. Herzrasen führen.
Diagnostik
Allen Personen, die im Rahmen der COVID-19-Akutphase Komplikationen des Herz-Kreislaufsystems erlitten haben oder nach der Akutphase anhaltenden Beschwerden wie z.B. Atemnot, Thoraxschmerzen oder Herzrasen haben, wird circa 12 Wochen nach der COVID-Infektion eine Abklärung des Herzens wie der Lungen empfohlen. Neben einer klinischen Untersuchung wird hier ein EKG, ein Herzultraschall, Bluttests sowie Belastungsuntersuchungen empfohlen.
Ob z.B. eine Kernspintomographie des Herzens oder andere weiterführende Diagnostik durchgeführt wird, ist eine Einzelfallentscheidung und abhängig von den jeweils vorliegenden Untersuchungsergebnissen. Leistungssportler mit oben beschriebenen Komplikationen während der COVID-19-Akutphase sollten vor Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten unbedingt einen hierfür ausgebildeten Spezialisten aufsuchen.
Therapie
Grundsätzlich wird eine symptomorientierte Therapie empfohlen, die sich an den aktuellen Leitlinien zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen orientiert und durch den betreuenden Arzt festgelegt wird.
Für Patienten, bei denen eine Störung des Herzens ausgeschlossen wurde die aber eine verminderte Belastbarkeit oder z.B. einen schnelleren Herzschlag in Ruhe oder unter körperlicher Belastung haben ist ein sich langsam steigerndes Ausdauertraining zu empfehlen.
In der Post-COVID Phase besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko für die Ausbildung eines Bluthochdrucks (arterielle Hypertonie). Hier sollte eine leitliniengerechte Therapie erfolgen. Nach Wiederaufnahme der körperlichen Aktivität bzw. eines körperlichen Trainingsprogrammes normalisieren sich die Werte in der Regel bei Patienten, die vor COVID-19 keinen Bluthochdruck hatten.
Einleitung
Hautveränderungen werden in circa 25 % der Fälle beschrieben. Diese können in Ausprägung und Erscheinen ganz unterschiedlich sein, so kann es zu Knötchen, Farbveränderungen, Bläschen etc. kommen. Zudem werden sogenannte COVID-Zehen beschrieben, die sich als bläuliche, kissenartige Verdickungen über den kleinen Zehen- aber auch Fingergelenken zeigen. Von diesen Veränderungen sind sind hauptsächlich jüngere und sonst kaum symptomatische Patienten betroffen.
In bis zu 25% der Fälle wird außerdem über vermehrten Haarausfall Wochen bis Monate nach Infektion sowie über Hauteinrisse und Trockenheit der Hände berichtet.
Therapie
Die meisten die Haut oder Haare betreffenden Veränderungen heilen spontan und ohne spezifische Behandlung innerhalb weniger Wochen ab. Dies ist für die Betroffenen, die häufig sehr unter diesen Symptomen leiden, eine wichtige Information.
Eine symptombezogene Behandlung ist aber möglich. Es werden z.B. Antihistaminika bei starkem Juckreiz oder rückfettende Cremes bei Trockenheit der Haut angewandt. Bei nicht-kontrollierbaren Symptomen sollte die Überweisung zum Hautspezialisten erfolgen.
Auch eine psychosomatische Mitbetreuung kann sinnvoll sein, wenn der Leidensdruck durch die Symptome zu groß wird.
An erster Stelle stehen die Befragung und körperliche Untersuchung des Betroffenen. Zunächst müssen andere Erkrankungen oder Ursachen der Symptome ausgeschlossen und ggf. behandelt werden. Wenn keine anderen Ursachen gefunden werden können, ist ein Post-COVID-Syndrom wahrscheinlich. Primäres Ziel ist das Erkennen einer eventuellen Organbeteiligung, mit der Möglichkeit, bei behandelbaren Symptomen die geeignete Therapie zu finden und die PatientInnen je nach Symptomatik ohne Reibungsverluste an die entsprechenden Fachdisziplinen weiter zu verweisen.
Eine Interdisziplinarität ist zur umfassenden Diagnostik und Therapie unabdingbar, so sind die verschiedensten Fachdisziplinen gefordert. Eine Koordination findet über die Covid-Ambulanz statt.
Bei bestehenden Symptomen nach einer durchgemachten COVID-Infektion, die auf bisherige Therapien nicht gut ansprechen, sollte an ein Post-COVID-Syndrom gedacht werden. Die Vorstellung in einer COVID-Ambulanz erfolgt idealerweise drei Monate nach Infektion.
Hier sind die Daten noch abzuwarten.
Das bei einem Teil der Patienten beobachtete Fortbestehen des Virus wird auf eine unzureichende Immunantwort zurückgeführt. Vor diesem Hintergrund war es naheliegend, den Effekt einer Impfung nach der SARS-CoV-2-Infektion auf die Symptome zu untersuchen. In einer Beobachtungsstudie wurden Patienten mit Post-COVID-Syndrom untersucht. 2/3 der Betroffenen erhielten eine Impfung gegen SARS-CoV-2, das restliche Drittel nicht. So ist eine direkte Beobachtung eines möglichen Effektes der Impfung möglich.
Nach 8 Monaten wurden die beiden Gruppen untersucht und miteinander verglichen. 23.2% der Geimpften und 15.4% der Ungeimpften beschrieben eine Verbesserung der Symptome; 5,4% der Geimpften und 14,2% der Ungeimpften gaben das Gegenteil – also eine Verschlechterung der Symptome an. Dieser Effekt, der zwar statistisch signifikant ist, ist dennoch nur gering ausgeprägt und weitere Untersuchungen sind notwendig, um feststellen zu können, ob eine Impfung tatsächlich eine Linderung der Symptome bewirken kann.
Unabhängig davon wird eine Impfung sechs Monate nach stattgehabter Infektion dringend empfohlen, um einer möglichen erneuten Infektion entgegenzuwirken. Eine Bestimmung der Antikörper vor der Impfung nach 6 Monaten wird für die Entscheidung über die Impfung nicht als notwendig angesehen.